„Offene Großraumbüros sollen die Kommunikation fördern. Doch eine Studie zeigt nun: Genau das Gegenteil ist der Fall. Statt mehr miteinander zu sprechen, ziehen Mitarbeiter sich eher zurück.“ Neue Arbeitswelten und Kollaboration scheinen nicht gut zusammen zu passen.
Das schreibt der Spiegel (und nicht nur der) in einem Beitrag vom 10.07.2018. Er beruft sich dabei auf eine Studie der Harvard Uninversity.
„Entgegen der weit verbreiteten Annahme führen Großraumbüros nicht zu mehr, sondern sogar zu deutlich weniger Kommunikation.“
„Wenn Rückzugsräume fehlen, „entwickeln Angestellte andere Strategien, um sich Privatheit zu verschaffen“, schreiben die Forscher.“
Auf den Artikel machte mich ein Teilnehmer in einem Workshop zum Thema „Gestaltung neuer Arbeitswelten“ aufmerksam.
Warum ist dieser Artikel für uns wichtig?
- Die Studie wurde von sehr vielen Magazinen in Deutschland aufgegriffen. Demzufolge haben viele Menschen diesen Artikel gelesen und er befeuert einerseits die Ablehnung bei denen, die ohnehin kritisch sind. Zum anderen schwächt er die Position der Befürworter.
- Der Artikel ist gut geeignet, um das Thema zu reflektieren und den richtigen Kontext herzustellen.
Was ist eigentlich ein „Großraumbüro“?
Der Artikel selbst ließ mich ein wenig ratlos zurück.
„Was genau meinen die Verfasser mit „Großraum“?
Das wird nicht erwähnt. Die Vorstellungen, was unter Großraum zu verstehen ist, gehen weit auseinander. Manche bezeichnen schon Büros mit sechs Mitarbeitern als Großraum. Das ist nicht gemeint. „Großraum“ sind Flächen mit mehr als 400 qm. Das wird im Artikel nicht erwähnt. Dazu muss man sich die Studie ansehen. Da steht (natürlich auf englisch) „open workspace“.
Dann gibt es noch eine interessante Formulierung am Ende des Artikels: „Wenn Rückzugsräume fehlen, entwickeln Angestellte andere Strategien, um sich Privatheit zu verschaffen“, schreiben die Forscher.
Ja, genau. Wenn Rückzugsräume fehlen. Recht haben sie. Aber wer behauptet, dass in neuen Arbeitswelten Rückzugsräume fehlen?
Rückzugsräume gehören zum Konzept. Zwingend. Räume für Entspannung, Dialog, Meeting, sozialen Austausch, konzentrierte Arbeit. Raumangebote satt.
Sprechen wir vielleicht besser von „Multispace“?
Also stellt sich die Frage, welche Art von Office-Konzept hier eigentlich untersucht wurde. „Open Workplace“, „Open Space“, „Multispace“ (wie es das Fraunhofer Institut aus gutem Grund bezeichnet) oder „Neue Arbeitswelten“.
Aufschluss gibt die Studie da auch nicht. Was ist gemeint? Da wäre wichtig zu wissen.
Ein Beitrag, der aus der Perspektive des Transformationsprozesses darüber reflektiert, ist von Andreas Zeuch von den Unternehmensdemokraten.
„Natürlich kommt es auch auf psychologische und kulturelle Faktoren an. Und da beschleicht mich ein erheblicher Verdacht: Es ist völlig unklar, ob der Übergang von den ehedem geschlossenen Büroräumen hin zum offenen Großraumbüro vor allem als architektonisches Projekt erachtet wurde, oder ob er in einen psychologischen und kulturellen Transformationsprozess eingebettet war.“
Im Kommentarbereich fand ich dort folgenden Beitrag:
„Sehr spannend. Wir sind vor einem Jahr mit rund 300 Mitarbeitern in ein neues Gebäude mit offenen Arbeitswelten eingezogen – und das hat uns deutlich kommunikativer gemacht – es wird mehr geredet, aber auch mehr gechattet. Wichtig war uns: wir gehen nicht in ein Großraumbüro, sondern in eine neue Arbeitswelt. Es gibt Rückzugsräume, open spaces, Balkone, einen Garten und unser Kantino – überall kann gearbeitet werden. Es hängt schon sehr am Gesamtkonzept, an vielen Details und vor allem daran, dass die Menschen im Unternehmen das mit ausdenken dürfen.“
Das Thema ist komplex. Und es macht immer Sinn, erst einmal die Begriffe zu definieren, über die man redet.
Kontext, Inhalt und Beziehungsebenen sind wichtig. Dazu spielen Rollen, Kompetenzen, Präferenzen und Gewohnheiten eine Rolle.
Was für den einen eine Störung ist, empfindet der andere als willkommene Anregung. Und während sich eine andere in ihren Räumen isoliert fühlt, genießt eine Dritte die dortige Ruhe. Aber auch dieselbe Person kann eine Umgebung je nach Aufgabenstellung als hilfreich oder belastend empfinden.
Suche ich den Austausch mit Kollegen, finde ich ihn kaum in meinem Einzelbüro. Und will ich in Ruhe an einem Konzept arbeiten, dann ist ein Raum in dem lautes Gewusel herrscht kontraproduktiv.
Manche Dinge liegen völlig klar auf der Hand. Andere sind von vielen Variablen abhängig, die sich einer klaren Auswertbarkeit entziehen. Es ist halt komplex.
Die beste Antwort darauf sind meist Vielfalt und Flexibilität. Also nicht das Einzelbüro. Und auch nicht der Großraum.
Stattdessen ein vernünftiges Angebot unterschiedlicher Module. „Multi-Space“!
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